Ein weiteres Herzensprojekt
- Carla
- 11. Apr. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Ich stehe auf dem Feld, eine riesige Steppe. Breit und weit nur wenige größere Bäumchen, überwiegen kleine Büsche, Rosmarin oder blanker Sandboden. Vertrocknete Disteln, zwischen frischem Gras. Anfangs noch fehlte mir die Motivation, meine Finger waren eisig kalt und klamm und ich fragte mich, was ich hier eigentlich mache. Voraussichtlich wird es nur 1-5% der Eicheln, die ich gerade setzte schaffen. Und dennoch machte ich weiter, die anderen taten es ja auch. Und ohnehin wurde mir durch die Arbeit warm. Rosmarinbusch gesichtet, Loch gestochen, Eichel platziert und festgetreten. Langsam komme ich in einen Flow. Mir ist warm und meine Gedanken kreisen nicht mehr darum, ob die Eichel, die ich gerade setzte, es schaffen wird oder nicht. Ich denke an die anderen, wie sie wöchentlich immer wieder kommen und Eicheln setzten. Die Erfolge sind klein. Und doch vereint alle die Motivation etwas in dieser Gegend zu erreichen. Den Wald, den wir hier pflanzen, pflanzen wir nicht für uns, sondern für unsere Kinder, sagte mir ein Mitwirkender bei unserer ersten Begegnung. Sie sind eine nette, lustige Gesellschaft mit den unterschiedlichsten Menschen unterschiedlichsten Alters und Herkunft. In der Pause gibt es warme Suppe, Brot, Käse und Mandarinen. Es werden landwirtschaftliche Tricks ausgetauscht. Die Faszination von Natur und Pflanzen ist bei allen groß. Nach der Pause sehe ich auch einen kleinen Eichenbaum, ca. 15 cm groß, in mitten eines Rosmarinbusches, auf der Nordseite gepflanzt. Beim letzten Mal habe ich größere Exemplare gesehen, auf der Südseite gepflanzt und alle vertrocknet. Seit dem weiß ich warum ich auf der Nordseite pflanze.
Diese Eindrücke habe ich nach unserem zweiten Wochenende in Idanha Mitte Januar festgehalten. Während des Lockdowns in Portugal war auch der Kindergarten für anderthalb Monate geschlossen, sodass wir Zeit hatten drei Wochen an dem Aufforstungsprojekt unseres Gastvaters mitzuwirken. Idanha-a-velha ist ein kleines, altes Dörfchen und befindet sich im Osten Portugals, nahe der spanischen Grenze. Hier soll mit Hilfe einer Stiftung ein 2000 Hektar großes Stück Land gekauft werden, was zum Teil landwirtschaftlich genutzt wird, zum Teil aufgeforstet werden soll. Die Gegend dort ist im Sommer unglaublich trocken, es kommt häufig zu Waldbränden. Keine einfachen Bedingungen, um einen Wald anzupflanzen, auf einem Gelände, auf dem es nur vereinzelt größere Bäume gibt. Doch Ziel des Projekts ist es, das lokale Klima nachhaltig zu beeinflussen, ein Wald könnte das Wasser im Boden halten und dafür sorgen, dass selbst im Sommer Landwirtschaft gut möglich ist.
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Derzeit gibt es nur eine einfache Basis am Rande des Dorfes, bestehend aus einer alten Scheune, einem Bungalow, einer Jurte und einem Caravan. Insgesamt gibt es Schlafplätze für 11 Personen. Es gibt weder fließend Wasser, noch Strom oder Internet, doch auch das macht für mich den Reiz des Ortes aus, denn man lebt im Rhythmus der Sonne und fühlt sich der Natur so noch verbundener.
Im Herbst und Winter werden an den Wochenenden häufig Bolotadas (man könnte es übersetzten als, Eichelsetzt- und Sammelevents) veranstaltet, bei denen zu den zwei festen Mitarbeitern auch noch Freiwillige, Freunde und das Gründerteam der zukünftigen Assoziation „One million trees“ dazu kommen. Ziel ist es einen Verein zu gründen, sodass das Projekt offiziell angeworben werden kann und somit auch staatlich finanzielle Unterstützung erhalten kann.
Bei den Bolotadas kommt immer eine nette Runde zusammen, je mehr helfende Hände desto besser. Die Eicheln werden von Hand gesammelt und von Hand gepflanzt, denn es sollen so wenige Maschinen, wie möglich eingesetzt werden. Alle Pflanzen werden bewusst ausgewählt, sodass eine möglichst waldbrandresistente, diverse Flora entstehen kann. Dabei wird den Prinzipien der Permakultur gefolgt, die ein Leben mit und nicht gegen die Natur ermöglicht und funktionierende Ökosysteme aufbauen möchte.
Beim ersten Mal war ich zu tiefst gerührt von Peter. Es war meine erste Begegnung mit dem großgewachsenen, 73 jährigen Niederländer auf dem Feld. Als er mir erzählte, er habe mit der Korkeiche gesprochen, dem einzigen Baum weit und breit, musste ich etwas schmunzeln. Doch er sagte:"he said that he was lonely, so I planted a big ring out of oaks around him, to give him company". Ich habe zwar noch nie probiert mit einem Baum zu sprechen, aber dennoch konnte ich verstehen was er meinte.
Mitte Februar wurden jedoch kaum mehr Bolotadas veranstaltet. Stattdessen pflanzten wir Jungbäume, wie Walnuss, Holunder, Esche und Kastanie und betrieben Bodenpflege und Waldbrandprävention. Hauptfokus lag diesmal auf einem Gebiet schon großer, jedoch kranker Eichen. Diese wurden geschnitten und der Boden gepflegt, natürlich gedünkt und gesät. Doch zunächst musste ein schier endloses Feld von Stevas von Hand ausgerissen werden. Diese Arbeit fühlte sich zunächst dekonstruktiv an, da wir so Pflanzen vernichteten, doch verschlechtern diese den Boden, beanspruchen ganze Landstriche alleinig für sich und tragen im Sommer zu einer erhöhten Waldbrandgefahr bei.
Beim Ausreißen dieser teilweise 3 Meter hohen Pflanzen machte ich eine interessante Selbstbeobachtung, diese hielt ich Ende Februar fest:
Wir haben Stevas ausgerissen, da diese den Boden verschlechtern und die Waldbrandgefahr steigern. Dies ist eine Menge harte körperliche Arbeit. Auch hier brauchte es eine Zeit und dann kam ich in einen Flow, vollkommen angestrengt, irgendwann nur noch die schädlichen Stevas im Blick. Überblickte ich die Böschung und sah Stevas, waren diese wie ein Dorn im Auge, stachen sofort bösartig hervor. Ich entwickelte eine solche Aggression und war in einem Ehrgeiz gefangen all diese Stevas zu vernichten, in eine fast toxische Motivation verfallen, die sich nur mit einem Bad im kalten Fluss auslöschen ließ. Danach war ich völlig fertig. Ich fragte mich, ob dies Aggression ist, die ich im Zusammenhang mit den Stevas aufbaue oder eine angestaute Aggression, die ich beim Ausreißen der Stevas ablassen kann.
Einige Tage später vollzogen wir die gleiche Arbeit, wieder bekam ich Motivation, doch konnte ich insgesamt gelassener an die Stevas herangehen, genoss ihren Duft und sah erstmals wie schön diese Pflanzen eigentlich sind.
Das Projekt scheint in mancher Hinsicht fast wahnsinnig (im Dorf begegneten uns manche Einwohner mit einem belächelnden Kopfschütteln) und doch verfolgen die Menschen mit einem enormen Ehrgeiz das Ziel. Auf dem Platz der Basis soll in der Scheune zukünftig ein Aus- und Fortbildungszentrum entstehen, sowie eine Unterkunft für freiwillige Helfer und ein Informationsstandpunkt für Ökotouristen, ein Ort des Austausches und Zusammentreffens. Das Projekt scheint manchmal klein und machtlos in Anbetracht der weltweiten Klimakatastrophen und doch sind Projekte wie diese ungemein wichtig, um den Fokus der Menschheit auf den Klimawandel und mögliche Handlungsansätze zu richten. Das Projekt kann vielleicht allen falls das lokale Klima beeinflussen und zu einem Umdenken der lokalen Bevölkerung beitragen und dennoch könnte es zu einem weitreichenderen Bespielprojekt werden.
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